Pragser Wildsee und Südtirol – wann ist es genug?
Pragser Wildsee - an einem nicht ganz so überfüllten Tag | Foto: © Andreas Schneider

Hype
Pragser Wildsee und Südtirol – wann ist es genug?

Veröffentlicht am: 03.10.2024
Lesezeit: 3 min | Schreibe einen Kommentar



Man kennt die Bilder aus den Sommermonaten – die Zufahrt zum Pragser Wildsee ist schon Kilometer vor dem eigentlichen Ziel nur mit vorher gekauftem Ticket möglich – ansonsten geht nur der Bus, Fahrrad oder zu Fuß. Wir waren nun auch einmal vor Ort und fragten uns anschließend – warum der ganze Südtirol Hype??

Seit Jahren machen wir Urlaub in Südtirol – in einem kleinen Seitental – ohne großen Touristenrummel und mit viel Natur. Wanderurlaub im Sommer. Und im Winter gibt es nur Winderwandern, Schneeschuhtouren oder Langlauf. Kein Skilift, keine Aprés Ski Parties.

Südtirol wird immer voller

Seit Jahren merken wir aber auch, dass es in Südtirol immer voller wird, die Pässe vor allem an den Wochenenden kaum noch passierbar sind, der Brenner immer wieder verstopft – Meran ist voll mit Autos und Touristen, die Drei Zinnen sind dank der Autozufahrt zur Auronzohütte überlaufen, Bozen ist verstopft und so weiter und so weiter

Immer wieder sieht man Reportagen oder Dokumentationen über Südtirol im Fernsehen – mittlerweile auch immer mehr, die sich kritisch mit dem Thema Massentourismus auseinandersetzen. Wann sind es genug Übernachtungen? Wann gibt es genug 4 oder 5 Sterne oder Highend Wellness Hotels? Wann wurde aus genug Almen ein „Naturhotel“, welches der Gast nun auch noch bequem mit eigenem Auto über die Forststraßen anfahren kann?

Das Pustertal gleicht zur Zeit einer Großbaustelle – denn für die nächsten Olympischen Winterspiele wird gebaut, so dass der Gast noch bequemer anreisen kann – noch mehr Hotels erweitert und vergrößert werden können. In Antholz wird gerade die Südtirol Arena umgebaut für die Biathlon Wettkämpfe – gleichzeitg baut man eine neue Zufahrt unter der Pußtertaler Staatstraße hindurch. Abgesehen davon, dass die Staatsstraße selbst einige neue Ortumfahrungen erhält.

Die Preise steigen und steigen

Die Preise steigen – und immer mehr „normale“ Touristen bleiben aus – da in den Orten es kaum noch Gaststätten gibt, in denen man normale Speisen bestellen kann. Die Gäste bleiben in den Hotels, werden mit allen Mitteln im Haus „gehalten“. Vor ca. 20 Jahren war ich in Burgeis (unterhalb vom Reschensee) in der Ortsmitte in einem typischen Gasthof – holzgetäfelte Stube, klassisches Südtiroler Essen. Vor ein paar Jahren wollte ich dort wieder einmal einkehren – und habe es nicht wiedererkannt. Ein „Wohlfühlhotel“ ist daraus entstanden – mit Außenpool, Fitness- und Yogaräumen, Wellness und Spa Bereich, Show Küche usw. Die Klientel – und die Preise für das Essen dementsprechend.

Die Wirtin der Pension, in der wir untergebracht waren, konnte uns nur noch eine Pizzeria im Ort empfehlen – ein klassisches Gasthaus gab es nicht mehr.

Eine weitere Kehrseite der Medaille – die Preise stegen. Für alle – Touristen wie Einheimische. In allen Bereichen. Nicht nur Essen gehen wird zum teuren Vergnügen – auch Einkaufen, Wohnung oder Zimmer mieten, tanken etc. Wir haben hier eine Ferienwohnung, können selbst kochen – aber auch bei den Preisen in den Supermärkten sind die Preise mittlerweile stark erhöht. Eine Inhaberin eines Bekleidungsgeschäftes sagte uns, dass letztens Gäste aus der Schweiz bei Ihr waren, die sagten, dass die Preise in Südtirol mittlerweile auf Schweizer Niveau angekommen sind.

Mieten sind nicht mehr bezahlbar – junge Menschen finden in Städten wie Bozen, Brixen oder Meran kaum noch bezahlbaren Wohnraum. Die Immobilienpreise sind schon durch die Decke gegangen. Wer will all das noch bezahlen?

Liebe Südtiroler Gastgeber, lieber Südtiroler Tourismusverband – vielleicht überlegt Ihr Euch einmal, ob nicht weniger mehr ist? Nicht immer mehr „Luxusurlauber“, die in Ihren nagelneuen E-Autos oder mittlerweile auch schon per Hubschrauber zu den Hotels angereist kommen.

Aber ich glaube, das ist Wunschdenken – und erst, wenn die Gäste nicht mehr kommen, weil die Preise zu hoch und die Straßen so voll sind, dass man nirgends mehr hinkommt, vielleicht dann wird ein Umdenken stattfinden.

Und was war jetzt mit dem Pragser Wildsee?

Um noch einmal zurück zum Pragser Wildsee zu kommen – ja, er ist schön anzusehen, er liegt toll eingebettet in den Pragser Dolomiten am Ende des Pragser Tals – aber er ist unserer Meinung nach „entzaubert“ – die Anfahrt zum Pragser Wildsee wird kontrolliert und gelenkt, Menschenmassen strömen an die Ufer, Influencerinnen werfen sich in Pose, (viele in einer sehr ähnlichen Pose, als hätten sie alle den selben Kurs „Wie Pose ich richtig für Instagram und TikTok“ gebucht – Schulter frei machen, Blick nach hinten über die Schulter, lächeln – oder Hut auf und gedankenverloren auf den See blicken) lassen sich fotografieren, um anschließend direkt das Ergebnis zu überprüfen – und dann noch einmal von vorne.

Andere ziehen Ihr Brautkleid an und rudern auf den See hinaus, um ein Foto von einer Hochzeit zu machen, die so dort nie stattgefunden hat. Trotz Drohnenflugverbot hört man doch die ein oder andere kreisen – man baut Steinmännchen, weil es alle so machen usw. Und das nun schon seit vielen Jahren – bald müsste doch auch der letzte Influencer oder Asiate am Pragser Wildsee gewesen sein – und wieder etwas Ruhe einkehren. Aber auch das ist wahrscheinlich Wunschdenken. Aktuell gibt es alleine bei Instagram 134.000 Einträge zum Thema Pragser Wildsee – Hashtag #pragserwildsee. Verrückt.


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